DRUCKEN
Inhalt zuletzt aktualisiert am: 09.01.2024

Rechtliche Betreuung

Ein Unfall, eine schwere Erkrankung – es kann schnell passieren, dass innerhalb kurzer Zeit nichts mehr ist, wie es war und man nicht mehr oder nur noch begrenzt in der Lage ist, die eigenen rechtlichen Angelegenheiten selbst zu erledigen. Wenn man in eine solche Situation gerät und keine ausreichende Vorsorgevollmacht erteilt hat, kommt das Betreuungsrecht, die so genannte „rechtliche Betreuung“, ins Spiel.

Hier finden Sie einige grundlegende Informationen zu diesem Thema. Sie können sich aber auch gerne persönlich an uns wenden. Für ein Gespräch bitten wir Sie, im Vorfeld einen Termin zu vereinbaren, damit wir uns genügend Zeit für Sie nehmen können.

Fragen und Antworten

Was sind die Hintergründe und Ziele des Vormundschafts- und Betreuungsrechts?

Seit Abschaffung der so genannten „Entmündigung“ im Jahr 1992 gibt es ein Vormundschafts- und Betreuungsrecht, durch das Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden soll. Grundlegend modernisiert wurde dieses Recht zum 1. Januar 2023 mit dem „Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts“. Das Ziel dieser Reform: Die Selbstbestimmung betreuter Menschen soll noch mehr gestärkt werden. Konkret heißt das: Bei allen Entscheidungen, die ein Betreuer oder eine Betreuerin im Rahmen des gerichtlich bestimmten Aufgabenbereiches trifft und umsetzt, stehen die Wünsche der Betroffenen im Mittelpunkt.Und: Das reformierte Gesetz verbessert auch die Qualität der Betreuung durch Einführung eines Mindeststandards für den Zugang zum Betreuerberuf.

Was bedeutet "rechtliche Betreuung" also konkret?

Seit das „Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts“ zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, wird bei der rechtlichen Betreuung der Blick noch mehr auf die Selbstbestimmung des oder der Betroffenen gelegt. Das heißt, dass in die Rechte der betreuten Person nur soweit eingegriffen wird, wie dies unumgänglich ist und die Betreuung flexibel auf die Bedürfnisse dieser zugeschnitten sein muss. Oberste Maxime der Betreuung ist also, dass die betreute Person ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen gestalten kann. Die Geschäftsfähigkeit des/der Betreuten wird dabei grundsätzlich nicht eingeschränkt, bei erheblicher Selbstschädigung kann lediglich ein so genannter Einwilligungsvorbehalt für einzelne Aufgaben angeordnet werden. Beispielsweise sind auch Eheschließungen oder das Verfassen eines Testaments trotz einer bestehenden Betreuung möglich, auch das Wahlrecht bleibt erhalten.

Wer kann eine Betreuung anregen und an wen muss man sich wenden?

Hat man den begründeten Verdacht, dass jemand nicht mehr ohne fremde Hilfe im Alltag zurechtkommt, kann man beim zuständigen Amtsgericht eine Betreuung für diese Person anregen. Und natürlich kann man sich auch an das Gericht wenden, wenn man selbst das Gefühl hat, nicht mehr allein klarzukommen.
Für den Landkreis Unterallgäu ist das Betreuungsgericht Memmingen in der Buxacher Str. 6, Telefon (08331) 104-282, zuständig. Wird eine rechtliche Betreuung angeregt, wäre es hilfreich, ein ärztliches Zeugnis vorzulegen, aus dem der Gesundheitszustand der betroffenen Person hervorgeht und aus dem sich die Unfähigkeit zur Besorgung eigener Angelegenheiten ableiten lässt.

Wer ordnet eine rechtliche Betreuung an und was passiert, bis es soweit ist?

Angeregt werden kann die Betreuung also von jeder und jedem. Angeordnet wird sie letztlich vom Betreuungsgericht bei dem Amtsgericht, in dessen Gerichtsbezirk die Betroffenen sich gewöhnlich aufhalten. Für Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis Unterallgäu ist das Betreuungsgericht in 87700 Memmingen (Buxacher Str. 6), Telefon (08331)105-282, zuständig.

Bis es zu einer rechtlichen Betreuung kommt, werden folgende weitere Stellen in das Verfahren involviert:

  • Nach der beim Amtsgericht angeregten Betreuung erhält die Betreuungsbehörde (dies ist bei Bürgerinnen und Bürgern aus dem Unterallgäu das Landratsamt Unterallgäu) vom Gericht den Auftrag, die tatsächliche Betreuungsbedürftigkeit festzustellen. Dazu macht sich ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin des Landratsamts bei einem Hausbesuch ein Bild von der momentanen Lebenssituation des/der Betroffenen und berät sich mit den Angehörigen.
  • Es wird bei diesem Gespräch auch nach bestehenden Vorsorge- und Bankkonto-Vollmachten gefragt, ebenfalls, ob jemand aus der Familie, der Verwandtschaft oder aus dem Bekanntenkreis bereit und geeignet wäre, die Betreuung in ehrenamtlicher Funktion zu übernehmen.
  • Das Gesundheitsamt fertigt ein medizinisches Gutachten an (die Untersuchung erfolgt in der Regel bei der betroffenen Person zuhause), welches anschließend dem Amtsgericht vorgelegt wird.
  • Daraufhin wird der/die Betroffene vom Gericht persönlich angehört (entweder im Gericht oder zuhause). Anhand des Gutachtens, der Stellungnahme der Betreuungsstelle und des persönlichen Eindrucks entscheidet der Richter/die Richterin schließlich, ob die Betreuung notwendig ist oder nicht.
  • Falls die rechtliche Betreuung erforderlich ist, wird gleichzeitig ein Betreuer/eine Betreuerin bestellt und durch einen Ausweis als solche/r dazu legitimiert.
Ein Familienangehöriger oder jemand aus dem Bekanntenkreis würde die rechtliche Betreuung übernehmen. Ist das möglich?

Ja! Bevor eine Betreuung durch eine außenstehende Person angeordnet wird, wird immer geprüft, ob nicht jemand aus der Familie oder dem Freundes-/Bekanntenkreis verfügbar und in der Lage ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Ist dies der Fall, wird dies auf jeden Fall vorrangig behandelt und der entsprechenden Person die ehrenamtliche Betreuung übertragen. Ehrenamtliche Betreuer/innen haben einen Anspruch auf eine pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von 425 €/Jahr.

In welchen Fällen wird eine Betreuung denn überhaupt angeordnet?

Zu einer rechtlichen Betreuung kommt es, wenn der oder die Betroffene psychisch krank beziehungsweise körperlich, geistig oder seelisch behindert ist und seine/ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Wenn ein rechtlicher Betreuer oder eine Betreuerin eingesetzt wird, bedeutet das aber nicht automatisch, dass diese oder dieser für alle Bereiche zuständig ist. Die rechtliche Betreuung wird nur für die Aufgabenbereiche angeordnet, für die sie auch erforderlich ist.

Und für welche Aufgabenbereiche kann ein Betreuer eingesetzt werden?

Es wird grundsätzlich immer genau überprüft, welche Angelegenheiten der oder die Betroffene noch selbstständig regeln kann und wo Unterstützung notwendig ist. Für folgende Bereiche ist beispielhaft eine Betreuung möglich:

  • Gesundheitsfürsorge
  • Aufenthaltsbestimmung
  • Vermögenssorge
  • Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen oder Renten- und Sozialleistungsträgern
  • Wohnungsangelegenheiten
  • Entscheidung über die Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen
  • Postangelegenheiten
  • Organisation der ambulanten Versorgung
Kommt ein ehrenamtlicher Betreuer oder ein Berufsbetreuer zum Einsatz?

Zunächst gilt, dass auch bei der Auswahl des zu bestellenden Betreuers die Wünsche der zu betreuenden Person berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist es so, dass ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer den Vorrang vor Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer haben. Und: Bevor eine Betreuung durch eine außenstehende Person angeordnet wird, wird immer geprüft, ob keine andere Person - zum Beispiel aus dem Familien-, Freundes- oder Bekanntenkreis - verfügbar und bereit ist, als ehrenamtliche/r Betreuer/in tätig zu werden.

Welche Voraussetzungen muss ein ehrenamtlicher Betreuer/eine ehrenamtliche Betreuerin erfüllen?

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1. Januar 2023 gelten neue Zulassungsvoraussetzungen für dieses Ehrenamt. Geregelt sind diese für alle nach dem 01.01.2023 eingesetzten ehrenamtlichen Betreuer/innen im Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG). Im Vordergrund steht dabei die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit. Zum Nachweis dieser Eignung und Zuverlässigkeit müssen ein Führungszeugnis nach § 30 Abs. 5 des Bundeszentralregistergesetzes und eine Auskunft aus dem zentralen Schuldnerverzeichnis bei der Betreuungsstelle des Landratsamts vorgelegt werden. Das Behördenführungszeugnis kann bei der Wohnsitzgemeinde beantragt werden und wird von dort automatisch an die Betreuungsstelle übersandt. Die Schuldnerverzeichnisabfrage kann auf dem Vollstreckungsportal der Länder eingeholt werden und muss ebenfalls der Betreuungsstelle übermittelt werden.

Und was gilt für Berufsbetreuer/Berufsbetreuerinnen?

Das zum 1. Januar 2023 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts fordert einen Mindeststandard für den Zugang zum Betreuerberuf. Das heißt, dass die Qualität der beruflichen Betreuung grundsätzlich verbessert wurde und bedeutet konkret: Als Berufsbetreuer können nur die Betreuer/innen von der Betreuungsbehörde, also vom Landratsamt, vorgeschlagen und vom Betreuungsgericht bestellt werden, die bei der zuständigen Stammbehörde als solche registriert sind. Stammbehörde ist die Betreuungsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich der berufliche Betreuer oder die Betreuerin seinen/ihren Sitz (Büro- oder Geschäftsadresse) hat oder in dem dieser errichtet werden soll. Ist kein solcher Sitz vorhanden oder auch nicht geplant, richtet sich die Zuständigkeit ersatzweise nach dem (Haupt)-Wohnsitz. Erforderlich ist ein Antrag auf Registrierung bei der zuständigen Stammbehörde. Gerne stehen wir im Vorfeld für ein Beratungsgespräch zu den Voraussetzungen der Registrierung und zum Ablauf des Registrierungsverfahrens zur Verfügung.

Für die Registrierung als Berufsbetreuerin oder Berufsbetreuer gelten folgende Voraussetzungen:

  1. die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit,
  2. eine ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit als beruflicher Betreuer/in und
  3. eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 Euro für jeden Versicherungsfall und von einer Million Euro für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres.

Die erforderliche Zuverlässigkeit fehlt in der Regel, wenn

  1. die Person hinsichtlich der Tätigkeit als beruflicher Betreuer einem Berufsverbot nach § 70 StGB oder einem vorläufigen Berufsverbot nach § 132a StPO unterliegt,
  2. die Person in den letzten drei Jahren vor Stellung des Registrierungsantrags wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlich begangenen, für die Führung einer Betreuung relevanten Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist,
  3. in den letzten drei Jahren vor der Antragstellung eine Registrierung nach § 27 BtOG widerrufen worden ist oder
  4. die Vermögensverhältnisse der Person ungeordnet sind, was in der Regel der Fall ist, wenn über das Vermögen der Person das Insolvenzverfahren eröffnet worden oder sie in das vom zentralen Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) eingetragen ist.
Wie lange bleibt eine Betreuung bestehen?

Die gerichtlich angeordneten Maßnahmen - egal ob mit oder ohne Einwilligungsvorbehalt - dürfen nicht länger als notwendig dauern. Spätestens nach sieben Jahren muss das Gericht darüber entscheiden, ob die Betreuung verlängert oder aufgehoben wird.

Kann man ein gerichtliches Betreuungsverfahren vermeiden?

Ja! Weil eine rechtliche Betreuung ein vergleichsweise aufwändiges Gerichtsverfahren voraussetzt, hat der Gesetzgeber jedem Bürger und jeder Bürgerin das Recht eingeräumt, eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Mit einer solchen Vollmacht kann das gerichtliche Betreuungsverfahren vermieden werden.

Was hat es mit einer Vorsorgevollmacht auf sich und welchen Vorteil hat eine solche?

Ist eine Vorsorgevollmacht vorhanden, ist die Person, auf die die Vollmacht ausgestellt ist, berechtigt, stellvertretend für den Vollmachtgeber zu handeln - sowohl rechtlich als auch tatsächlich. Lediglich mit sich selber oder engen Angehörigen kann der Bevollmächtigte keine Rechtsgeschäfte aufgrund der Vollmacht schließen. Das aufwändige Verfahren, das eine rechtliche Betreuung mit sich bringt, entfällt somit - zweifellos ein Vorteil. In der Tat ist es nämlich so, dass - egal ob man durch einen Unfall, Krankheit oder das Älterwerden seine Angelegenheiten nicht mehr selbstverantwortlich regeln kann - Ehegatten oder Kinder ohne Vollmacht keine gesetzlichen Vertretungsbefugnisse haben (ausgenommen ist das beschränkte Recht auf gegenseitige Vertretung von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitsvorsorge, s. hierzu nächste Frage/Antwort).

Für den Inhalt und die Folgen, die sich aus einer Bevollmächtigung ergeben, muss allerdings jeder Vollmachtgeber selbst die Verantwortung tragen. Die Vorsorgevollmacht sollte daher nur beim Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zum Bevollmächtigten erteilt werden. Sie ist stets widerrufbar.

Banken und Sparkassen verlangen oft eine Vollmacht auf bankeigenen Vordrucken. Die Bevollmächtigung über Konten und Depots ist grundsätzlich in der Bank oder Sparkasse des Vollmachtgebers vorzunehmen. Für Immobiliengeschäfte, Aufnahme von Darlehen und Handelsgewerbe ist eine notarielle Vollmacht erforderlich. 

Ein Formular zur Vorsorgevollmacht können Sie zum Beispiel auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Justiz herunterladen.

Es ist keine Vollmacht vorhanden - haben Ehepartner bei einem Notfall wirklich überhaupt keine Rechte?

In solchen Fällen gibt es seit dem 01.01.2023, also seit Inkrafttreten der Gesetzesreform, Änderungen: Ehegatten haben seitdem ein beschränktes Recht auf gegenseitige Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge. Dieses in § 1356 BGB geregelte Vertretungsrecht greift, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht mehr besorgen kann. Dabei geht es vor allem um die Einwilligung in ärztliche Eingriffe und den Abschluss von Behandlungsverträgen. Dieses so genannte Notvertretungsrecht ist zeitlich begrenzt auf maximal sechs Monate und ist nachrangig zu einer bestehenden Betreuung oder Vorsorgevollmacht.

Aktuelles

Inhalt zuletzt aktualisiert am: 09.01.2024